Schüler der Herbert-Karrenberg-Förderschule stellen ein außergewöhnliches Theaterprojekt auf die Beine: In nur einer Woche entwickeln sie ein eigenes Weihnachts-Stück. Die meisten von Ihnen haben noch nie Theater gespielt.

NEUSS Ricardo traut sich. Xhemajl und Jessica auch. Zum ersten Mal in Ihrem Leben spielen sie Theater. Mit 21 weiteren Schülern der Klasssen 5 bis 7 haben sie sich für ein erstmalig an der Herbert-Karrenberg-Schule gestartetes Theaterprojekt gemeldet. "Wir haben 'Cinderella' im Landestheater angeschaut und die Schauspieler kennengelernt", erzählt Ricardo. "Jetzt habe ich selber richtig Lust, zu spielen".

Die Spielfreude, sagt Theaterpädagogin Jessica Höhn, sei das Besondere dieser Gruppe. Sie veranstaltet zusammen mit dem Off-Theater solche Projekte an vielen Schulen. Jetzt entwickelt sie mit den Schülern der Förderschule auf der Neusser Weyhe nach und nach mehrere Szenen, aus denen innerhalb einer Woche ein Theaterstück rund um das Weihnachtsfest entsteht. Dabei gibt die Expertin den Stoff nicht etwa vor, sondern die Geschichte entsteht aus dem Dialog mit den Kindern. Zu Beginn der Proben stimmt sie die Schüler mit einem Spiel auf das Projekt ein. "Eine Vorstellungsrunde", "Eine Aufgabe lösen" oder "wie ein Stein erstarren und sich dann bewegen", erklären die Schüler. Im Stuhlkreis spinnen die die Zehn- bis 13-Jährigen dann mit Jessica Höhn und Lehrerin Mirjam Dargies eine Szene. Die dreht sich heute rund um eine Kerze, die den Weihnachtsbaum entzündet und Geschenke, die gerettet werden.

"Ich komme mit Ideen rund um ein bestimmtes Thema, hier also Weihnachten, wie etwa die Plätzchenback-Maschine, die aus Körpern besteht. Aber die meisten Vorschläge stammen von den Schülern", sagt die Theaterpädagogin. "Diese hat ein Schüler zuhause wirklich erlebt. Nach drei Tagen haben wir schon drei Szenen entwickelt und geprobt - das ist sensationell".

Die Schüler der Herbert-Karrenberg-Schule haben einen Förderbedarf in Bezug auf Lernen, viele kommen aus bildungsfernen Elternhäusern. "Theater zu spielen ist für die meisten Projektteilnehmer absolutes Neuland", sagt Schulleiter Wolfgang Witsch. "So können sie lernen, sich zu präsentieren und völlig eigenständig etwas auf die Beine stellen". Im gesamten Halbjahr hat Mirjam Dargies ihre Schüler auf die Projektwoche vorbereitet, "Aschenputtel" im Unterricht gelesen und den Ausflug zu dem Stück am Landestheater organisiert, inklusive eines Gesprächs mit den Schauspielern. "Durch das Theaterspiel sollen die Kinder selbstbewusster werden, lernen, in andere Rollen zu schlüpfen und Sprache besser beherrschen", erklärt sie.

Seit Montag proben die 24 Schüler mit zwei Seniorinnen des Off-Theaters zwei bis drei Schulstunden pro Tag. Morgen ist Auffürung, vor der gesamten Schülerschaft und den Lehrern. "Unser Ziel ist es auch andere Kollegen zu motivieren ein solches oder ähnliches Projekt mit den Kindern zu wagen", sagt Mirjam Dargies.

Bildunterschrift: Die Förderschüler bei einer Probe mit Theaterpädagogin Jessica Höhn. Durch das Schauspielern sollen sie lernen, in andere Rollen zu schlüpfen und mit Sprache zu arbeiten. Alle Szenen für ihr Weihnachtsstück entwickeln sie selbst, einige davon haben sie im Alltag erlebt.

Julia Rommelfanger
Neuss Grevenbroicher Zeitung
15.12.2011